Alex Schäfer
Alex Schäfer

Bronner [1]

Der Bronner bedauert seinen Zeitungskunden,
der nicht schon in den Morgenstunden
sein Leib- und Magenblatt
zum Frühstück auf dem Tische hat.
Statt dessen muss er zum Kiosk flitzen
Oder solang im Ungewissen sitzen,
bis der Postbote das Objekt
in den Briefkasten rein steckt.

Natürlich reut B. nicht nur des Lesers Qual,
sondern auch die eig’ne Umsatzzahl.
Er neidvoll auf seinen Konkurrenten schaut:
Der hat ein Zustellungssystem aufgebaut.
Sein Marktanteil beträgt in Prozenten fünfzig,
das ist für die Lief’rung nach Hause günstig.
Mein Anteil hingegen ist klein,
ein eig’nes System lass’ ich deswegen sein.
Seine Einrichtung ist für mich wesentlich,
denn ohne Zugang zu ihr geht es nicht.

Um die Lehre der wesentlichen Einrichtung
drückt sich der Gerichtshof wieder rum.
Selbst wenn man das Urteil Magill [2]
auf den Fall übertragen will,
wird eine beherrschende Stellung nur dann
missbraucht, wenn man belegen kann,
dass das strittige Verhalten
sich eignet, den Wettbewerb auszuschalten,
und dass die Leistung unentbehrlich ist.

Genau dieses hat der EuGH vermisst:
Das Blatt kann er per Post und Kiosk vertreiben,
das Gejammer, dass weniger günstig, lasse er bleiben.
Zudem ein Verleger, der ökonomisch potent,
ein Zustellungssystem ins Haus errichten könnt’.
Kann’s B. aus Schwäche alleine nicht schaffen,
muss er sich auf Suche nach Mitstreitern machen.

Der B. hat den Prozess verloren,
sein Leser, der muss weiter schmoren.

ALEX SCHÄFER
2001

 


[1] EuGH Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791.
[2] EuGH Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P, Slg. 1995, I-743.