Rindfleischetikettierung
Es
tagt der Rat zum Fleisch vom Rind,
zum Schutz von Mann und Frau und Kind.
Ohn Etikett, es kann verdrießen,
darf ich das Fleisch nicht mehr genießen.
Hab ich mir Brust von Ochsen auserkoren,
muss ich wissen, wo mal das Kalb geboren,
wos von der Mutter wurd gestillt,
und wo es auf der Weide hat gebrüllt.
Welcher Vater gab den Samen?
Aufs Etikett auch seinen Namen!
Ist von edler Rasse auch die Mutter?
Und vor allem: Woher kam ihr Futter?
Wo
sind Bruder, Schwester abgeblieben?
Hat er sich an ihnen oft gerieben?
Litt er unter deren Druck und Qualen,
so dass wirs mit der Qualität bezahlen?
Wie
oft ist er denn krank gewesen,
und ist er besonders schnell genesen?
Und des Bullen stolze Manneskraft,
welcher Veterinär hat sie wohl abgeschafft?
Und ist das Rind nicht seelisch deformiert,
wie wird es schließlich transportiert?
Ging die Fahrt ohn Hunger, Durst und Not,
konnt es noch beten vor dem Tod?
Das
ist alles? Wäre doch gelacht!
Wo wurd der Ochs denn umgebracht?
Wo
fand durch des Schlachters Hände
seines kurzen Lebens traurig Ende?
Wohin
floss sein Blut, in welche Kläranlage,
wo fanden seine Knochen ihre letzten Tage?
Wo sind Därme, Klauen, Fell und Pans;
wer zerteilte ihn von Kopf bis Schwanz?
Dies
alles muss man also wissen,
wenn man Brust vom Ochsen will genießen.
Das alles kommt penibel und adrett
beim Ochsen auf sein Etikett.
Bevor
man endlich dann serviert,
wird sorgfältig das Etikett studiert.
Und
hab ich alles fein durchsonnen,
hab ich den Ochsen richtig lieb gewonnen.
Obwohl
der Hunger schon seit Tagen,
zuhause ist in meinem Magen,
geht mir das Tier nicht aus dem Sinn,
ich leide und leg mich dann zum Sterben hin.
Im Himmel schließlich angekommen,
hab ich des Ochsen Geist vernommen:
Oh Mensch, die Welt ist doch verkehrt,
wäre ich du, ich hätte mich verzehrt.
KARL-HEINZ FUNKE,
ehem. Bundeslandwirtschaftsminister
2000
Nebenprodukt einer Nachtsitzung des EU-Agrarministerrats Rindfleischetikettierung
Schlussfolgerungen des Rates vom 17.04.2000. |