Oldenburger Schweinemastprozess

Tatbestand

Die Klägerin liebt Schweinebraten –
besonders, wenn er billig ist -,
drum hat der Onkel ihr geraten:
„Kauf dieses süße Ferkelchen
von mir für hundert Märkelchen –
wenn das nicht superbillig ist! –
ich mäste es im Koben hier
und du ersetzt das Schrotgeld mir!“
Der Freund, befragt, hält’s auch für billig
und einen guten Tip fürwahr,
und ohne Murren zahlt er willig
zweihundert Mark gleich schon in bar.

Das Ferkelchen bleibt lange klein,
will gar nicht gerne schlachtreif sein,
statt nur vier Monat, wie gedacht,
benötigt es beinahe acht.
Ums Schrotgeld nun für diesen Braten
ist man sich in die Haar’ geraten.
Fürs Angebot, das sie gemacht,
hat sie der Onkel ausgelacht:
„Noch zwanzig Mark, das reicht nicht aus,
dann bleibt das Schwein bei mir im Haus.
Ich werd’ es für mich selber schlachten
und in die Tiefkühltruh’ verfrachten!“
so spricht der Onkel, der besagte,
im Rechtsstreit nunmehr der Beklagte.
Gesagt getan, das fette Schwein,
passt grad noch in die Truhe rein!

Die Klägerin, nun voller Groll,
beantragt: Der Beklagte soll
ihr gutes Geld ihr wieder geben,
nachdem das Schwein nicht mehr am Leben!
Doch der Beklagte wendet ein:
„Die Klag’ wird abzuweisen sein.
Den Preis hat mir der Freund entrichtet
und ihm allein bin ich verpflichtet,
und außerdem rechne ich auf
mit meinem Schaden aus dem Kauf!
Viel Arbeit und der Schlachterlohn,
das kost’ zweihundert Märker schon.“

Von all den Zeugen, die gekommen,
hat das Gericht nur drei vernommen.
Sie wussten alle gut Bescheid
und dienten der Gerechtigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Lang dacht’ ich nach und angespannt
und hab’ alsdann für Recht erkannt:

Zur Hälfte ist wohl grade eben[1]
dem Klagantrag hier stattzugeben.

Die Klägerin war mit dabei
bei Schweinekauf und –mästerei,
die Geldhingabe nur allein
kann doch wohl nicht entscheidend sein.
Es muss ihr unbenommen bleiben,
das Geld nun wieder einzutreiben[2].

Sie hat ja auch ein Recht darauf,
weil er erfolglos blieb, der Kauf [3].
Doch dem Beklagten umgekehrt,
ist es mit Recht dann nicht verwehrt,
zu rechnen auf mit dem Verluste,
den er dabei hinnehmen musste:
denn Fleischbeschau und Schlachterkosten,
das sind ja wohl die beiden Posten,
die eigentlich und immerhin
bezahlen müsst’ die Klägerin.
Hätt’ die Vertragspflicht sie gewahrt,
dann hätte er das Geld gespart.

Weil keine hat gewonn’ von beiden,
drum haben – das ist einzusehn –
sie beide auch gleich stark zu leiden
und für die Kosten einzustehn.
An das Gericht zahlt jeder zwar
die Hälfte nur von den Gebühren,
doch seinem Anwalt – das ist zu spüren –
zahlt jeder selbst das volle Honorar[4].

So wurde aus dem Ferkelchen
für ach nur hundert Märkelchen
- so billig sollt’ es sein -
ein furchtbar teures Schwein!

Und die Moral von der Geschicht:
Um Kleinigkeiten streit’ man nicht,
zieh’ jedenfalls nicht vors Gericht!
Das gilt nicht nur in diesem Fall,
das gilt beinahe überall.
Sonst kann Gerechtigkeit auf Erden
ganz unerfreulich teuer werden!

AMTSGERICHT OLDENBURG
Urteil v. 16.3.1987 – 3 C 443/86

 


[1] 104 DM.
[2] § 428 BGB.
[3] § 812 BGB.
[4] § 92 ZPO.